Forschungsprogramm

Sfb 337

Energie- und Ladungstransfer in molekularen Aggregaten

Der Sonderforschungsbereich widmet sich der Erforschung physikalischer und chemischer Prozesse, die durch gezielte lokale Anregung molekularer Aggregate ausgelöst werden. Dabei kann die Energiezufuhr zu elektronisch angeregten Anfangszuständen und/oder Anregungszuständen der Kernbewegungen führen. Der Begriff "molekulare Aggregate" steht für eine Vielfalt von Systemen, die entweder durch Zusammenlagerung atomarer und/oder molekularer Teilsysteme als Folge schwacher Bindungskräfte entstehen (z.B. Cluster) oder durch ein wohldefiniertes Teilsystem in Wechselwirkung mit der Nahumgebung (z.B. Gast-Wirt-Komplexe) realisiert sind. Eine Differenzierung zwischen den einzelnen Systemen und den Anregungsformen spiegelt sich in der Aufteilung der Projektbereiche und Teilprojekte wider.

Bevorzugte Studienobjekte sind Aggregate, die sich für eine eingehende Untersuchung dynamischer Prozesse eignen. Sie reichen von freien oder auf Oberflächen deponierten atomaren und molekularen Clustern über Aggregate in kontrolliert aufgebauter Umgebung oder in gut definierten Matrizen bis zu komplexen makromolekularen Systemen, die als Funktionszentren in Biosystemen, als Targetkomplex einer makromolekularen Chemie oder als Funktionsträger in anwendungsträchtigen Materialien auf die Realisierung effizienter Energie- und Ladungstransferprozesse ausgerichtet sind. Entsprechend der ursprünglichen Zielsetzung des Sfb 337 haben die Untersuchungen dynamischer Vorgänge gegenüber den unentbehrlichen strukturellen Charakterisierungsaufgaben ständig an Bedeutung gewonnen.

Bei den freien Aggregaten wird die Clusterbildung (A2, A3, A5 u.a.) in Verbindung mit der Untersuchung der Einflüsse der internen Energiedissipation auf die Cluster- und Fragmentverteilung weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Das Studium von Cluster-Cluster-Stößen (A12) und der Clusterdeposition an Oberflächen (A8) erfordert eine detaillierte Auseinandersetzung mit der komplexen Prozeßdynamik. Vielversprechend sind Vorhaben zur Untersuchung masseselektierter neutraler Cluster, eingefangen in einer Falle (A8) oder eingebaut in die weitgehend inerte Umgebung eines Edelgaskristalls (A2). Energieübertragungs- und Reaktionsdynamik in "synthetischen Aggregaten" aus Metall-Solvens- (A11, A2, A9) und Molekül-Solvens-Clustern (A4, B8) stellt ein breites Untersuchungsfeld dar, dem sich auch etliche Theorievorhaben widmen. Der Einsatz von Kurzzeitspektroskopie gewinnt für die experimentellen Teilprojekte (A4, A8, A9, A11, ebenso im B-Bereich) zunehmend an Bedeutung und erfordert intensive theoretische Unterstützung. Vordringliche Ziele sind u. a. die zeitliche Verfolgung komplexer Reaktionswege und die Identifizierung möglichst vieler transienter Zwischenprodukte, um letztlich die Reaktionsmechanismen erklären zu können. Die sich ergebenden Möglichkeiten zur Steuerung der Reaktionsprozesse verdienen besondere Beachtung.

An der Nahtstelle zwischen den Projektbereichen befinden sich Vorhaben, die reaktive Prozesse wie die TICT-Dynamik (B8, C3, C5) sowohl im Molekül-Solvens-Cluster als auch in flüssiger Phase experimentell und theoretisch umfassend untersuchen. Hier, wie auch beim Vergleich von Photoreaktionen im synthetischen Reaktant-Solvens-Cluster und in Lösung oder an katalysefähigen Oberflächen (A4), wird die Komplexität der Umgebungseinflüsse auf die Prozeßdynamik deutlich. Selbst der als relativ einfach geltende Vorgang der Photodissoziation eines zweiatomigen Moleküles in einer "inerten" Edelgaskristallmatrix (B1, C2) erfordert den vollen Einsatz moderner Experimentiertechniken und einfallsreicher Theoriekonzepte, um einer der zentralen Sfb-Thematik entsprechenden quantitativen Beschreibung der Prozeßdynamik näher zu kommen.

In welcher Weise Art und Stärke der Kopplung zwischen anregungsaktivem Zentrum und seiner Umgebung Einfluß auf die Transferprozesse und ihre Dynamik nimmt, ist die durchgängige Fragestellung im großen Projektbereich B, wo man sich um ein grundlegendes Verständnis elementarer Photoprozeße in großen organischen Aggregaten (B3, B4, B5, B9, B11, C2, C3) sowie der Energiedissipation von lokaler Anregung in die Festkörpermatrix der näheren Umgebung (B6, B7, C1, C2) an inzwischen gut charakterisierten Systemen bemüht.

Fortschritte in Richtung auf ein tiefergreifendes Verständnis lassen sich etwa beim Prozeß der lichtinduzierten Ladungszentren in Reaktionszentren der Photosynthese erkennen. Mitunter ist die Charakterisierung dieser hochkomplexen Aggregate soweit fortgeschritten, daß spezifische Struktur-Funktions-Beziehungen aussichtsreich untersucht werden können, etwa die Korrelation der elektronischen Stuktur des primären Donator-Dimers mit der Unidirektionalität der Ladungstrennung (B4) oder die Beziehung zwischen Einbaulage und Umgebungsanbindung des Chinonakzeptors mit seinen Funktionen in den sequentiellen Elektronentransferschritten entlang der Akzeptorkette (B3). Entsprechende Fragestellungen werden in Modellsystemen (B9) und anwendungsträchtigen Aggregatsystemen (B5, B11) verfolgt. Auf diesem molekularen Niveau treten vielfach Parallelitäten zu interpretativen Fragestellungen bei den "einfachen" Molekülaggregatsystemen (B1, B8 und A-Bereich) in Erscheinung. Damit kann die bewußte Ausrichtung der meisten theoretischen Vorhaben an den experimentellen Fragestellungen, die zusammengenommen fast alle experimentellen Teilprojekte einbezieht, auch bei den komplexen Systemen stärker zum Tragen kommen.

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