Ein Schritt zum Quanteninternet: Aufbau von Netzwerken aus Quantenspeicher-Satelliten
Quantenphysiker aus einem interinstitutionellen Projekt um Prof. Jens Eisert (Freie Universität Berlin) herum konnten zeigen, dass Informationsübertragung mit Hilfe von Quantenspeicher-Satelliten und Quanten-Repeater-Strategie tatsächlich über interkontinentale Distanzen stattfinden könnte. Die Ergebnisse der Arbeit wurden in "Nature: Communication Physics" veröffentlicht.
Aus dem Dahlem Center for Comlex Quantum Systems haben an der Arbeit Julius Wallnöfer, Frederik Hahn, Fabian Wiesner, Nathan Walk und Jens Eisert mitgewirkt.
News vom 31.08.2022
Der Aufbau funktionierender Quantennetze über große Entfernungen ist eine zentrale Herausforderung und ein Schwerpunkt aktiver Forschung in der modernen Quantenphysik. Heutzutage träumt man von einem so genannten Quanteninternet – einem Kommunikationsnetz, über welches viele Einheiten interagieren und kommunizieren können, und zwar mit einer maximal möglichen Sicherheit: Die Sicherheit eines solchen Systems beruht auf grundlegenden physikalischen Gesetzen und kann im Prinzip sogar bedingungslos sein. Daraus ergibt sich eine herausfordernde, aber auch spannende Aufgabenstellung. Das Quanteninternet ist die Blaupause für die Kommunikationsnetze von morgen, und es überrascht nicht, dass große Konsortien auf der ganzen Welt darauf hinarbeiten, solche Kommunikationsnetze zu realisieren.
Da das Quanteninternet der Zukunft auf weitreichenden Quantenverbindungen basieren wird, sind Physiker auf der ganzen Welt daran interessiert zu untersuchen, wie diese Netzwerke funktionieren könnten. Eine gemeinsame Forschergruppe der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), der University of Strathclyde und des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts konnte nun zeigen, dass mit Hilfe von Satelliten mit Quantenspeicher und einer Quanten-Repeater-Strategie tatsächlich interkontinentale Distanzen erreicht werden können.
In der Quanteninformationstechnik geht es darum, die Eigenschaften von Quantensystemen zu nutzen, um die Informationsverarbeitung zu verbessern. Ein zentrales Problem bei der Umsetzung einer Strategie zur Quanteninformationsübertragung ist Datenrauschen und Unvollkommenheiten. Photonen gehen bei der Übertragung durch Glasfasern relativ häufig verloren. Besonders bei der Kommunikation über große Entfernungen stellt dies eine Herausforderung dar.
Naturgemäß ist ein Quantennetzwerk viel nützlicher, wenn es räumlich getrennte Parteien miteinander verbindet. Klassische Netzwerke wären sicherlich auch nicht so bedeutend, wenn sie sich auf einen einzigen Raum beschränken würden. Unvollkommenheiten klassischer Netzwerke lassen sich dadurch beheben, dass man Kopien der ursprünglichen Informationen erzeugt und diese immer wieder sendet. Diese Methode funktioniert jedoch nicht für Quanteninformationen, da das No-Cloning-Theorem die Anfertigung perfekter Kopien auf der Quantenebene nicht zulässt. Es ist ein anderer Ansatz erforderlich – die Quanten-Repeater-Strategie.
So wie man einen drahtlosen Repeater verwenden würde, um das Netzwerksignal in einem großen Haus zu verstärken, ermöglicht ein Quanten-Repeater die Erweiterung der Reichweite von Quantenverbindungen und bietet somit eine Möglichkeit, das Problem des Nicht-Klonens zu umgehen. Im Mittelpunkt der Strategie steht ein Kernkonzept der Quanteninformationstechnologie – die Verschränkung. Verschränkte Quantensysteme interagieren auf eine einzigartige Weise miteinander, wie man sie nur im Quantenbereich finden kann. Ein Prozess, der als Verschränkungsaustausch bezeichnet wird, ermöglicht den Aufbau von Langstreckenverbindungen über mehrere Zwischenabschnitte, zum Beispiel mit Hilfe von so genannten Quantenspeichern.
"Das Quanten-Repeater-Protokoll ist zwar ein etablierter Ansatz für die Quantenkommunikation über große Entfernungen, aber es gibt viele offene theoretische Fragen, sobald man ein wenig von den Standardfällen abweicht", sagt Julius Wallnöfer, Erstautor der aktuellen Arbeit, die in Communications Physics, einer Zeitschrift der Nature-Gruppe, veröffentlicht wurde. Was bisher fehlte, war eine solide Berechnungsgrundlage, um diese Form der Verbindung zu bewerten, insbesondere im Hinblick auf den Einsatz mehrerer Satelliten. Dies ist eines der entscheidenden Ergebnisse des Projekts: Mit Hilfe eines von Wallnöfer geschriebenen Codes konnten die Forscher eine hochmoderne Simulation entwickeln, um Quanten-Repeater-Setups und -Strategien über sehr große Distanzen zu analysieren. Satelliten sind eine attraktive Option für die Langstreckenkommunikation im Vergleich zu den typischerweise mit Datenverlusten behafteten Glasfasern. Die Arbeit zeigt insbesondere, dass die Übertragung über interkontinentale Entfernungen durch die Aufrüstung von Satelliten mit Quantenspeichern nicht nur machbar ist, sondern auch besser funktioniert als Ansätze ohne Quantenspeicher.
Die Ergebnisse des Projekts um die Arbeitsgruppe von Jens Eisert von der Freien Universität erweitern unser Verständnis davon, wie Quantennetzwerke in Zukunft funktionieren könnten. Gerade vor dem Hintergrund der Bestrebungen, erste reale Quantennetzwerke aufzubauen, ist die Frage, welche Technologien für ein Quanteninternet von morgen eingesetzt werden, von großer Bedeutung. Viele Fragen sind noch zu klären, bis wir flächendeckende Quantenkommunikationssysteme etabliert haben. Die Autoren sehen ihre Arbeit als einen Schritt auf dem Weg zu diesem Ziel.
Publication in Nature: Communication Physics
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