Nachruf
Der Fachbereich Physik trauert um Prof. Dr. Klaus-Dieter Schotte der am 28.11.2018 plötzlich und unerwartet verstorben ist.
Klaus-Dieter Schotte wurde 1938 in Leipzig geboren, ging in Delitzsch zur Schule und machte dort 1956 am Ehrenburg-Gymnasium das Abitur. Danach begann er das Studium der Physik an der Universität Leipzig und legte dort auch das Vordiplom ab, bevor er 1961 kurz vor dem Mauerbau mit seinen Eltern in den Westen ging und in Heidelberg weiterstudierte. Dort führte ihn der Weg zu Wolfgang Gentner, bei dem er eine experimentelle Diplomarbeit in Kernphysik machte, in der die Beta-Zerfallsspektren verschiedener Atome gemessen wurden. Auf diesen Aspekt seiner Ausbildung wies er später gerne hin.
Nach dem Diplom wechselte er 1963 an die Universität Köln, wo sich damals um Bernhard Mühlschlegel ein Zentrum der modernen Festkörpertheorie in Deutschland entwickelte. Bei ihm promovierte er 1966 über das kleine Polaron und lernte auch seine spätere Frau Ursula kennen, ebenfalls Physikerin, mit der er im Laufe seines Lebens zahlreiche Arbeiten gemeinsam verfasste. Es folgten ein Aufenthalt in San Diego 1968/69 bei Walter Kohn, die Habilitation in Düsseldorf 1970, ein Aufenthalt in Paris-Saclay 1970/71 bei Balian und de Dominicis und eine Stelle am MPI für Physik und Astrophysik in München, bevor er 1972 einen Ruf an die Freie Universität Berlin annahm. Nach rund 35 Jahren als Hochschullehrer wurde er hier 2006 emeritiert, blieb aber weiter aktiv, nahm Prüfungen ab, war als Gutachter tätig und erschien häufig in Kolloquien, im Fachbereich ebenso wie bei der Physikalischen Gesellschaft im Magnus-Haus.
Klaus-Dieter Schottes Arbeitsgebiete waren Festkörperphysik und Statistische Physik. Er hat sich hier früh einen Namen gemacht, und zwar durch eine Reihe von Arbeiten, die sich mit Röntgenkanten und dem Kondo-Effekt befassten und in den Jahren 1969-71 erschienen. Besonders die erste dieser Veröffentlichungen, in der das elektronische Vielteilchenproblem auf ein bosonisches umgeschrieben wurde, stellte einen großen Schritt nach vorn dar. Sie lieferte nicht nur eine einfache Erklärung für die Kanten-Singularitäten, sondern sie öffnete auch das Tor für die Behandlung wechselwirkender Elektronen in einer Dimension. Eindimensionale Systeme spielten in seinen Arbeiten eine wichtige Rolle, aber auch verwandte zweidimensionale Modelle, Supraleitung, Magnetfeldeffekte oder spezielle Spinsysteme. Insbesondere kam er aber immer wieder auf den Kondo-Effekt zurück, sowohl theoretisch als auch im Hinblick auf konkrete Experimente. Etwa zehn Arbeiten entstanden zusammen mit Experimentatoren, zu denen er gute Kontakte unterhielt, auch im Hause, wo er oft auf einen Kaffee im Labor der AG Rieder saß. Auf der anderen Seite machte er nicht nur numerische Rechnungen, sondern nahm auch an der Entwicklung des Computerwesens starken Anteil.
Klaus-Dieter Schotte war stets an physikalischen und mathematischen Problemen interessiert und verfügte über ein sehr breites Wissen. Man konnte jederzeit mit Fragen zu ihm gehen, fand dabei Aufmerksamkeit und erhielt - selbst wenn es ein längeres Gespräch erforderte – eine Anregung oder einen weiterführenden Hinweis. Das war auch eine gute Basis für den Umgang mit den Studenten, innerhalb und außerhalb des Lehrbetriebes, wobei er sich besonders um diejenigen kümmerte, die nicht in das normale Raster passten. Zwei seiner Schüler wurden später Professoren, einer für theoretische und einer für Experimentalphysik.
Er war umgänglich und knüpfte leicht Kontakte, konnte aber seine Meinung mitunter auch sehr leidenschaftlich vertreten. Seine Interessen gingen weit über die Physik hinaus und reichten von der Wissenschaftsgeschichte bis hin zu Sprachen aller Art - meist angeregt durch Aufenthalte in den betreffenden Ländern. Das betraf Skandinavien ebenso wie Japan, und dementsprechend stammt das begleitende Foto von einem deutsch-japanischen Treffen in diesem Sommer.
Der Fachbereich verliert mit Klaus-Dieter Schotte einen geschätzten Kollegen, der eine Lücke hinterlassen wird.
Ingo Peschel und Ludger Wöste