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Supraleitender Diodeneffekt mit einem einzelnen magnetischen Atom

Superconducting diode effect with a single magnetic atom

Superconducting diode effect with a single magnetic atom
Bildquelle: Martina Trahms; AG Franke

Prof. Dr. Katharina Franke

Prof. Dr. Katharina Franke
Bildquelle: David Ausserhofer

Prof. Felix von Oppen

Prof. Felix von Oppen

Experimentaltechnik im Labor von Prof. Katharina Franke

Experimentaltechnik im Labor von Prof. Katharina Franke

Labor in der AG Franke

Labor in der AG Franke

Supraleitende Dioden werden als vielversprechende zukünftige Bauelemente angesehen. Gemeinsam konnten die Gruppen um Katharina Franke und Felix von Oppen ein erstaunlich einfaches Modellsystem realisieren, in dem sie den supraleitenden Diodeneffekt beobachten und erklären konnten. Die Arbeit wurde in Nature veröffentlicht.

News vom 15.03.2023

Sämtliche Elektronik enthält Komponenten, die Strom bevorzugt in eine Richtung passieren lassen. Diese sogenannten Dioden bestehen in der herkömmlichen Elektronik aus Halbleitern. In der Forschung wird zurzeit intensiv untersucht, ob es möglich ist, Dioden aus supraleitenden Materialien zu realisieren. Supraleiter erlauben dem Strom, ohne Verluste, d.h. ohne Widerstand, zu fließen. Supraleitende Dioden leiten Ströme gleicher Größe in eine Richtung mit und in die andere ohne Widerstand. Derartige Bauelemente könnten zukünftig in einer nahezu verlustfreien, supraleitenden Elektronik verwendet werden oder auch für die Kontrolle von Quantenbits, den elementaren Einheiten eines Quantencomputers, eine wichtige Rolle spielen.

Supraleitender Diodeneffekt in einem konzeptionell einfachen System

Forschern am Fachbereich Physik der Freien Universität ist es nun gelungen, den supraleitenden Diodeneffekt in einem konzeptionell erstaunlich einfachen System zu beobachten. Hierzu haben die Experimentalphysikerinnen und -physiker um Prof. Katharina Franke kleinste Kontakte aus dem elementaren Supraleiter Blei (Pb) realisiert. Der Diodeneffekt ist aufgetreten, sobald in diese Kontakte ein einziges magnetisches Fremdatom eingebracht wurde. Bisherige supraleitende Dioden hatten auf viel komplizierteren Materialsystemen beruht. Die neuen Dioden sind aus mehreren Gründen interessant. So konnte in Kooperation mit der theoretischen Arbeitsgruppe um Prof. Felix von Oppen der mikroskopische Ursprung dieses Diodeneffekts detailliert aufgeklärt und auf neuartige Ursachen zurückgeführt werden. Weiterhin wird durch die Tatsache, dass der Diodeneffekt durch ein einzelnes Atom induziert wird, klar, dass der Miniaturisierung supraleitender Dioden fast keine fundamentalen Grenzen gesetzt sind. Die gemeinsame Arbeit der beiden Arbeitsgruppen wurde in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Die neuen supraleitenden Dioden basieren auf dem Einfluss eines einzelnen magnetischen Atoms auf den Suprastrom. Suprastrom wird im Gegensatz zum gewöhnlichen Elektronenstrom von Elektronenpaaren getragen. Diese sogenannten Cooper-Paare können Strom verlustfrei leiten, da sie auf besondere Weise miteinander gekoppelt sind. Bringt man zwei Supraleiter dicht aneinander, so können die Cooper-Paare von einem Supraleiter in den anderen tunneln. Dieses Tunneln in supraleitenden Kontakten ist ein quantenmechanischer Effekt, der nach seinem Entdecker als Josephson-Effekt benannt ist. Damit die Kontakte supraleitend bleiben, müssen sie nicht nur sehr kalt sein (unterhalb einer materialspezifischen kritischen Temperatur), sondern dürfen auch keinem zu großen Strom ausgesetzt werden. Erhöht man also langsam den Strom, so wird irgendwann ein „Schaltstrom“ erreicht, bei dem der Kontakt aus dem supraleitenden in den normalen, widerstandsbehafteten Zustand springt. Reduziert man anschließend den Strom, so springt der Kontakt ab einem gewissen „Einfangstrom“ zurück in den supraleitenden Zustand. Jedoch ist der Einfangstrom typischerweise kleiner als der Schaltstrom.

„Die präzise Messung dieser Ströme stellt höchste Anforderungen an die Stabilität der supraleitenden Kontakte. Wir stellen die Kontakte in einem Tieftemperatur-Rastertunnelmikroskop durch Annäherung einer superleitenden Spitze an eine supraleitende Oberfläche her“, erklärt Martina Trahms, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Katharina Franke. „Spitze und Oberfläche müssen atomar rein sein, weswegen wir unter Ultrahochvakuumbedingungen arbeiten. Wir deponieren wenige magnetische Atome auf der Oberfläche und positionieren die Spitze dann gezielt über einem dieser Atome,“ ergänzt sie. „Martina fand überraschenderweise, dass der Einfangstrom in den supraleitenden Zustand von der Richtung des Stromflusses abhängt, wenn sich ein magnetisches Atom an der Kontaktstelle befindet. Diese faszinierende Beobachtung war völlig unerwartet für uns“, kommentiert Katharina Franke.

Ein wichtiger Hinweis auf den Ursprung des Effekts wurde durch Messungen an zwei verschiedenen magnetischen Atomen geliefert. Es stellt sich heraus, dass der Diodeneffekt für Mangan und Chrom entgegengesetzte Asymmetrie hat, der Suprastrom also in entgegengesetzte Richtungen leichter eingefangen wird. „Martina konnte bereits experimentell eine Korrelation des Einfangstroms mit der Asymmetrie gewisser, durch die magnetischen Atome im Supraleiter induzierter Zustände (sogenannte Yu-Shiba-Rusinov-Zustände), herausarbeiten“, sagt Katharina Franke, „aber ein genaues Verständnis konnte erst durch die Entwicklung einer mikroskopischen Theorie in der Arbeitsgruppe von Felix von Oppen erlangt werden.“

Neues Modell berücksichtigt den Einfluss magnetischer Atome

„Wir haben zunächst den Einfang- und Schaltstrom simuliert ausgehend von der Asymmetrie der Leitfähigkeit, die Martina in spannungsgetriebenen Messungen an den einzelnen Atomen gefunden hatte“, erklärt Larissa Melischek. „Anschließend haben wir ein detailliertes Modell aufgestellt, das den Einfluss der magnetischen Atome berücksichtigt und die wesentlichen Gegebenheiten des Experiments abbildet,“ erklärt Jacob Steiner. Beide sind Doktoranden in der Gruppe von Felix von Oppen. Mit Hilfe dieses Modells konnte die Asymmetrie vollständig erklärt werden.

Aus dem Modell geht hervor, dass sich dieses Experiment und seine Erklärung fundamental von früheren Arbeiten zu supraleitenden Dioden unterscheidet. „Bisher wurde angenommen, dass Zeitumkehrvarianz gebrochen sein muss, um Diodenverhalten in Supraleitern zu beobachten“, kommentiert Felix von Oppen. „Aber das ist hier nicht der Fall. Stattdessen finden wir, dass der Diodeneffekt auf der Brechung der Elektronen-Loch-Symmetrie durch die magnetischen Atome beruht. Interessanterweise sind damit diese supraleitenden Dioden konventionellen Dioden viel ähnlicher. Es ist sozusagen eine ‚echte‘ Diode in den Josephson-Kontakt integriert“.

Die Ergebnisse geben nicht nur Hoffnung auf miniaturisierte supraleitende Dioden, sondern öffnen auch die Tür zu vielen weiteren Experimenten, die den Diodeneffekt auf der atomaren Skala genauer untersuchen. Man kann also gespannt sein, was die Zukunft bringt.

Publikation in der "Nature" lesen

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Schlagwörter

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