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Abschluss des Sonderforschungsbereichs 1078 „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“

SFB 1078 - Abschlusssymposium

SFB 1078 - Abschlusssymposium
Bildquelle: FB Physik

12 Jahre biophysikalische Forschung an Protonen in Membranproteinen – Was haben wir gelernt?

Der Sonderforschungsbereich (SFB) 1078 „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“ läuft nach zwölf Jahren intensiver Forschung 2024 aus. Die Ergebnisse der Forschungsarbeit wurden bei einem feierlichen Symposium im September 2024 präsentiert und gebührend gefeiert.

News vom 30.12.2024

Der SFB 1078 startete am Fachbereich Physik an der Freien Universität Berlin im Jahr 2013 und wurde in drei Förderperioden bis Ende 2024 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Der Sonderforschungsbereich unter der Sprecherschaft der Freien Universität Berlin umfasste insgesamt 24 Forschungsprojekte, die von 29 Forschungsteams mit breiter Expertise in Physik, Chemie, Biologie und computerbasierten Berechnungen umgesetzt wurden.

Neben elf Arbeitsgruppen von der Freien Universität Berlin arbeiteten die Forschenden folgender wissenschaftlichen Einrichtungen im Verbundprojekt mit: Technische Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technische Universität Dresden, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Hebrew University of Jerusalem in Israel.

Von der Freien Universität Berlin arbeiteten die Arbeitsgruppen von Joachim Heberle, Holger Dau, Ulrike Alexiev, Cecilia Clementi, Karsten Heyne, Jacek Kozuch, Roland Netz, Ramona Schlesinger, Stephan Block, Petra Imhof und Ana-Nicoleta Bondar im SFB 1078 mit.

Protonierungsdynamik als entscheidendes Prinzip in der Steuerung und Koordination komplexer Proteinfunktionen

Der SFB 1078 erforschte die Protonierungsdynamik – die kontrollierte und koordinierte Bewegung von Wasserstoffionen (Protonen) in vornehmlich membrangebundenen Proteinen. Diese Protonierungsdynamiken sind evolutionär optimiert. Sie spielen eine Schlüsselrolle in vielen biochemischen Prozessen, unter anderem in der Enzymfunktion und der Signalübertragung in Zellen.

„Die Einzigartigkeit dieses Sonderforschungsbereiches liegt darin, dass er die Themen miteinander verbindet, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben wie etwa Photosynthese und Atmung auf der einen Seite und Optogenetik, Virusinfektion und Lichtwahrnehmung von Bakterien und Pflanzen auf der anderen Seite“, erklärt der jahrelange Sprecher des SBF 1078, Professor Dr. Joachim Heberle. „All diese natürlichen Vorgänge teilen fundamentale biophysikalische Mechanismen“.

Diese grundlegenden Mechanismen wurden im Sonderforschungsbereich auf molekularer Ebene mittels experimenteller und theoretischer Methoden untersucht. Essentiell war dabei, dass im Laufe der 12 Jahre die Methoden zur Untersuchung für die schwer zu untersuchende Klasse der Membranproteine entwickelt und verfeinert wurden, sodass ein immer detailreicheres Verständnis der Proteinsysteme und deren katalytischen Mechanismen möglich wurde. Gleichzeitig wurden die untersuchten Proteinkomplexe erweitert.

„Eine enge Verzahnung von theoretischen und experimentellen Methoden ist eine weitere Besonderheit dieses Sonderforschungsbereiches“, so Professor Heberle. „Die ineinanderfließende Zusammenarbeit zwischen theoretischen und experimentellen Arbeitsgruppen hat es ermöglicht, die dynamischen Mechanismen dieser relevanten biologischen Maschinen auf atomarer Ebene aufzuklären.“

Neue Einblicke in grundlegende biophysikalische Prozesse

Der SFB 1078 trug beispielsweise zur Aufklärung des Mechanismus von zwei Membranproteinen bei, die zentral für die Energieumwandlung in unserer Geosphäre sind: dem Photosystem II der pflanzlichen Photosynthese und der Cytochrom-c-Oxidase der mitochondrialen Atmung. In beiden Proteinen sind Elektronentransferreaktionen streng an Protonentransferreaktionen gekoppelt. Wie diese hochkomplexen Primärreaktionen der Photosynthese und der zellulären Atmung ablaufen, wurde in mehreren aufsehenerregenden Arbeiten vorgestellt, zum Beispiel in The electron–proton bottleneck of photosynthetic oxygen evolution (2023). 

Der Sonderforschungsbereich „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“ brachte insgesamt über 400 Publikationen in den Leitmedien der Naturwissenschaften hervor, darunter mehrere Publikationen in Science und der Nature-Familie.

Neue spektroskopische und strukturauflösende Experimentalmethoden

Ausgehend von einer großen Expertise in zeitaufgelöster Schwingungsspektroskopie wurden die neuen Röntgenlaser (X-Ray Free Electron Laser, kurz: XFEL) eingesetzt, um die Strukturänderungen in so komplexen Proteinen wie das pflanzliche Photosystem II  und den Phytochromen mit nahezu atomarer Auflösung verfolgen zu können.

Bei Retinalproteinen gelang es den Forschenden sogar, die Strukturveränderungen zeitaufgelöst über den gesamten biochemischen Zeitbereich von Femto- bis Millisekunden abzubilden. Diese Forschungsergebnisse wurden in mehreren Publikationen in Science und Nature veröffentlicht.

Vom Labor in die Anwendung

Der Sonderforschungsbereich untersuchte ebenfalls die Photorezeptorproteine Kanalrhodopsin und Phytochrom. Diese Proteine finden mittlerweile Anwendung in der biologischen Bildgebung und in der Optogenetik.

SFB 1078 als akademisches Sprungbrett

Der Sonderforschungsbereich war erfolgreich in der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses der Biophysik und ihrer theoretischen Disziplinen. Die Integrierte Graduiertenschule betreute fast 50 Promovierende, von denen bis zum Ende des Sonderforschungsbereiches 32 ihre Promotion erfolgreich abschlossen. Viele wissenschaftliche Mitarbeitende entwickelten eigene Forschungsideen und übernahmen in den folgenden Förderperioden eine eigene Projektleitung.

Neun Mitglieder wurden im Laufe des SFB an europäische Universitäten berufen: Inez Weidinger (TU Dresden, 2016), Athina Zouni (HU Berlin, 2016), Franz Bartl (HU Berlin, 2017), Petra Imhof (FAU Erlangen-Nürnberg, 2020), Ana-Nicoleta Bondar (Univ. Bukarest und Jülich, 2021), Han Sun (TU Berlin, 2023), Stephan Block (FU Berlin, 2024), Igor Schapiro (TU Dortmund, 2024) und Rana Hussein (Universität Frankfurt, 2025).

Der Projektleiter Dr. Jacek Kozuch berichtet rückblickend: „Der SFB 1078 hat mir die einzigartige Möglichkeit gegeben, mich als unabhängiger Wissenschaftler weiterzuentwickeln und von einer lebendigen akademischen Gemeinschaft zu profitieren. Wissenschaftlich hat mir der SFB ermöglicht, eine neue Forschungsrichtung mit der Untersuchung viraler Proteine zu etablieren, die auch in Zukunft einen Schwerpunkt meiner Arbeitsgruppe bilden wird.“

Ein erfolgreicher Abschluss

Das Abschluss-Symposium des SFB 1078 fand vom 1. bis 3. September 2024 im Berliner Harnack-Haus der Max-Planck-Gesellschaft statt. Das Symposium wurde im Humboldt Forum Berlin mit einem Festvortrag mit dem Titel „Tracing a proton at three-time domains“ von Menachem Gutman und Esther Nachliel von der Universität Tel Aviv eröffnet.

Rund 100 Forschende, darunter elf renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland, ließen in einer inspirierenden Atmosphäre die Forschungsarbeit der letzten 12 Jahre Revue passieren, feierten ihre Forschungserfolge und diskutierten über die Anwendung in der Zukunft und folgende Projekte. Die Beteiligung internationaler Gäste und langjähriger Gutachterinnen bezeugte die Bedeutung und das erfolgreiche Netzwerk der biophysikalischen Gemeinschaft des SFB 1078.

Die langjährige intensive Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen und wissenschaftlichen Einrichtungen hat auf einer Seite gezeigt, wie wichtig der Austausch zwischen Theorie und Praxis für den wissenschaftlichen Fortschritt ist, und auf der anderen Seite vergegenwärtigt, wie stark das wissenschaftliche Netzwerk in der Biophysik ist.

Wir danken allen Beteiligten, die durch ihre Arbeit und ihren Einsatz zum Erfolg dieses Sonderforschungsbereiches beigetragen haben, und freuen uns darauf, dass die gewonnenen Erkenntnisse in zukünftige Forschungsvorhaben einfließen werden.

SFB 1078

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